Bob Dylan. Foto: Sony Der Mann, der immer schon da war, träumt vom Untergang der "Titanic": Eine Annäherung an Bob Dylans Album "Tempest". Der Mann auf der Brücke ist eingeschlagen – eingelullt von den sanft wogenden Wellen und einem Irish-Folk-Walzer, den Auswanderer in Southampton mit an Bord des Schiffes gebracht haben könnten. Und während das Orchester im Ballsaal Lieder von längst vergangener Liebe spielt und sich die besser bezahlenden Passagiere im Licht der Kronleuchter im Kreis drehen, träumt er davon, dass die " Titanic " untergeht. Der untergang der titanic ballade 4. Auf den Sturm, den Bob Dylan im Titel der Untergangsballade "Tempest" ankündigt, wartet man vergeblich. Der wachhabende Offizier träumt immer noch ruhig vor sich hin, als bereits die ersten Leichen im kalten Wasser des Nordatlantiks treiben, die Welt auf diesem großen, mächtigen Schiff in Aufruhr ist, die Reise, die in ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten führen sollte, vorbei ist. Und als ob er den Schlafenden nicht wecken wollte, protokolliert Dylan die Ereignisse auf der "Titanic" mit zärtlich krächzender Stimme, wechselt nie den Tonfall, wiegt begleitet von Geige, Akkordeon und Steel-Guitar im Dreivierteltakt in Sicherheit.
In "Early Roman Kings" variiert er den wuchtigen Blues von Muddy Waters' "Manish Boy", umarmt die Dunkelheit in Songs wie im teuflischen "Tin Angel" oder in "Pay In Blood", grübelt in "Scarlet Town" über den Zustand von Amerika ("Uncle Tom's still working for Uncle Bill"). Dylan versucht sich aber auch in der perfiden Schmonzette "Soon After Midnight" als romantischer Crooner oder singt in "Roll On John", dem letzten Stück auf dem Album, eine Ode auf John Lennon, die da besonders ergreifend ist, wenn er den Anfang aus dem Beatles-Großwerk "A Day In The Life" zitiert: "I heard the news today, oh boy! Der untergang der titanic ballade van. " Doch kein anderer Song auf dieser Platte erzählt so poetisch verdichtet, setzt einen so einer Flut an Bildern, Assoziationen, Konnotationen aus wie "Tempest" selbst. Das beginnt schon bei dem Titel des Stücks, der auf Shakespeares letztes Theaterstück "The Tempest" (Der Sturm) zurückgeht, das Schiffbrüchige von einer neuen Weltordnung träumen lässt. Und wer außer Dylan hätte es gewagt, die lyrische Aneignung des Katastrophenstoffs in einen Walzer zu packen?
Eingerahmt wurde der Vortrag durch nette Döntjes aus Opa Janssens Leben, der mit 14 von zu Hause ausgebüxt ist, zur See fuhr, zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges in Rio war, bei seiner Rückkehr nach Kiel wegen Fahnenflucht verhaftet wurde, das Mißverständnis aufklären konnte, wobei er drei Fahrkaren für die Straßenbahn in die Wiek bezahlte, eine für sich und zwei für die Militärpolizisten. Danach wurde er als Signalgast auf SMS Hessen eingesetzt und nahm an der Skagerrakschlacht teil. Dort wurde er Augen-und vor allem Ohrenzeuge der Versenkung der SMS Pommern, das dabei erlittene Knalltrauma war der Grund für seine nachfolgende Schwerhörigkeit. Später versah er seinen Dienst als Barkassenführer in Kiel, wo man ihm am 9. Der untergang der titanic ballade movie. November 1918 zu guter Letzt die Barkasse geklaut hat. Opa Janssen soll seinem Kaiser wohl alles verziehen haben, bis auf, daß er den Militärpolizisten die Fahrkarten bezahlen muße. Wer die Gelegenheit hat, den Vortag von Holger Janssen an anderer Stelle zu erleben, sollte sich das Vergnügen nicht entgehen lassen.
Unterhaltungen, Szenen, Essays erscheint. Uraufführung von Delirium. Ein Dichter-Spektakel in Hamburg (Regie: George Tabori). Kultureller Ehrenpreis der Stadt München. 1995 Veröffentlichung der Gedichtsammlung Kiosk. Uraufführung von The Palace (zusammen mit Irene Dische; Musik: Aulis Sallinen) in Savonlinna. 1996 Uraufführung von Zaide. Eine deutsche Operette (zusammen mit Irene Dische, Musik: Wolfgang Amadeus Mozart) in Berlin. Nieder mit Goethe. Eine Liebeserklärung wird in Weimar uraufgeführt. 1997 Uraufführung von Voltaires Neffe. Eine Fälschung in Diderots Manier in Berlin. Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik. Die Essaysammlung Zickzack und Der Zahlenteufel. Ein Kopfkissenbuch für alle, die Angst vor der Mathematik haben erscheinen. 1998 Der Roman Wo warst du, Robert? erscheint. Verleihung des Heinrich-Heine-Preises der Stadt Düsseldorf. Hörspiel über einen Schiffsuntergang und linke Intellektuelle auf Kuba - Der Untergang der Titanic | hoerspielundfeature.de. 1999 Veröffentlichung von Leichter als Luft. Moralische Gedichte und Geisterstimmen. Übersetzungen und Imitationen sowie der Sammlung Eine literarische Landkarte.
Da ist Mr. Astor, der gerade noch seine Frau geküsst hat, da ist Jim Dandy, der nie schwimmen gelernt hat. Da sind die Armen, die Reichen, die Spieler, Priester, Bordellbesitzer. Bob Dylans "Tempest" könnte damit auch in den Fundus der unendlichen Listen aufgenommen werden, den Umberto Eco vor einigen Jahren zusammengetragen hat. "Tempest" steht in der Tradition von Homer, der in der "Ilias" die Heere und Schiffe vor der Küste Trojas auflistet, von Hieronymus Boschs Triptychon "Der Garten der Lüste" oder von Alfred Döblins Schlachthofschilderung aus "Berlin Alexanderplatz"– Werke, die trotz ihrer Detailfülle suggerieren, dass das Sichtbare und das Unsagbare jenseits der Schilderung, jenseits des Bilderrahmens weitergeht. Es ließen sich in diesem Song noch zahlreiche Verweise finden. Und die sogenannten Dylanologen werden noch viel Zeit damit verbringen, all die Quellen offenzulegen, die der 71-Jährige in "Tempest" verarbeitet hat. Der Untergang der Titanic: Eine Komödie : Enzensberger, Hans Magnus: Amazon.de: Books. Sie werden alle Bezüge zu James Camerons Katastrophenfilm entschlüsseln und Dylan in die Tradition jener Barden stellen, die schon kurz nach der "Titanic"-Katastrophe diese mit Liedern besangen.
Hochwasser, Feuersbrünste, selbst der Feuerball der Hindenburg – in den Balladen der Katastrophe tritt der Mensch gesenkten Hauptes seinem Schicksal und manchmal seinem Schöpfer gegenüber. Vor diesem historischen Hintergrund bekommt der pseudonaive Gestus des Dylan-Songs, der das Schiff formelhaft in "the deep blue sea" versenkt, wieder einmal die Überaura eines historischen Volksliedes – aus dem Jahre 2012, vor dem die historische Wirklichkeit getrost zurücktreten darf. Titanic: Untergang vor 110 Jahren – warum die Tragödie noch heute fasziniert. Mit dieser Überzeugung kann Dylan als letzte Nummer sogar noch einen draufsetzen: "Roll On John" ist tatsächlich ein Nachruf auf John Lennon. "I heared the news today, oh boy", "come together right now over me" – eingearbeitet in den bedächtigen Fluss des Liedes sind Textzitate von Lennon und den Beatles. Nahezu jeden müsste man für eine solche Anmaßung erwürgen, nicht aber den Mann, der den Beatles am 28. August 1964 im New Yorker Hotel Delmonico eine Audienz gewährte und ihnen bei der Gelegenheit das Kiffen beibrachte.
Um jetzt nicht gefühlig zu werden, rockt Dylan mit "Narrow Way" zum unendlich, wie eine Ölförderpumpe nickenden Slide-Blues-Riff einer E-Gitarre als einsamer Gesetzloser über die Bildfläche. "Early Roman Kings" ist Heavy Blues zum Akkordeon. Inhaltlich natürlich auch wieder einer dieser Metaspäße in der Bluestradition, wenn Dylan seine römischen Könige mit Fliege, Hut, Haifischhautanzügen auftreten lässt, als wären sie Dandyträume der 20er. 71 ist Bob Dylan jetzt. Aber was soll der frische Alte sonst machen, außer Konzerte spielen und Platten für die Ewigkeit aufnehmen. Rückzugsgerüchte? Für Dylan Kokolores. Shakespeares letztes Stück hieß "The Tempest", seine Platte nur "Tempest". "Das sind zwei verschiedene Titel", diktierte er knapp dem amerikanischen "Rolling Stone". In einer Welt, 50 Jahre von jetzt, wird es immer noch Menschen geben, die "Tempest" und seine zehn großen Erzählungen hören. John Lennon, Titanic und ein Sänger zwischen den Geschichten werden ganz selbstverständlich in diesem Fluchtpunkt zusammenfließen, den man Vergangenheit nennt.